Ybbstalradweg: Durch Obstwiesen in die Alpen
Die Vögel zwitschern so laut, dass sie das Tack, Tack, Tack der Fahrradkette im Leerlauf übertönen. Es ist 6:30 Uhr, als ich die ersten Meter auf dem Ybbstalradweg durch Lunz am See rolle. Die Sonne hat es längst noch nicht über die Berge ringsherum geschafft, aber die Vögel wissen, dass es bald so weit sein wird. Sie spielen ein Konzert, ein herzliches Willkommen ist das und ein sehnsüchtiges Warten auf diesen warmen Frühlingstag.
Amseln singen, Spatzen und Schwalben. Die Schwalben sind gerade erst aus dem Süden zurückgekehrt, flattern aufgeregt durch die kühle Morgenluft, als könnten sie es gar nicht abwarten, diese Gegend endlich wieder unter blauem Himmel zu erkunden.
Und mir, mir geht es genauso. Genau wie den Schwalben.
Meine Liebe zu Niederösterreich hat auf dem Fahrradsattel begonnen. An einem viel zu heißen Tag im Juni 2021, an dem ich an der österreich-tschechischen Grenze aus dem Zug gestiegen bin, um die Region auf dem europäischen Fernradweg EuroVelo9 zu durchqueren.
Es hat nicht lange gedauert, keine fünf Kilometer, da war es um mich geschehen: Ich war ein paar mal links und rechts gefahren, auf einen Feldweg eingebogen, und fand mich plötzlich inmitten endloser Wiesen wieder. Mohn, Wildblumen, Korn. Niederösterreich hatte mich gepackt – und nicht wieder losgelassen.
Nur wenige Monate später, im Spätsommer, war ich auf dem EuroVelo13 unterwegs. Wieder ging meine Reise viel zu schnell zu Ende, der Abschied fiel schwer, aber ich bin mit dem Versprechen gegangen, dass ich gleich im Frühjahr wiederkommen wollte.
Die Bäume, die letzten September langsam ihre Blätter verfärbten, die wollte ich blühen sehen.
Werbehinweis: Ich bin glücklich, dass ich mit Niederösterreich Werbung zusammenarbeiten darf. Die Radtour auf dem Ybbstalradweg habe ich auf Einladung der Region erlebt, daher gilt dieser Artikel als Werbung für diesen Kooperationspartner. Meine Meinung wird dadurch aber freilich nicht beeinflusst.
Endlich zurück
Für diese Frühjahrs-Radtour suchte ich mir deshalb die Region Niederösterreichs aus, die übersäht ist von blühenden Bäumen: das Mostviertel, das im Südwesten Niederösterreichs liegt, zwischen der Donau und dem 1.893 Meter hohen Ötscher. Dazwischen ist Platz für endlose Wiesen, eine Hügellandschaft, die von Flüssen durchzogen wird. Obstbäume, soweit das Auge reicht. Oder auch: Soweit, bis die sanfte Hügellandschaft im Süden an die Felswände der Alpen stoßen. Das Mostviertel ist geprägt von eben diesen Kontrasten: von seiner lieblichen, milden Seite und der wilden.
Der Ybbstalradweg verbindet diese beiden Seiten.
Auf 107 Kilometern führt er von der Donau bis zum Lunzer See. Entlang einer ehemaligen Eisenbahntrasse, auch die glasklare Ybbs ist immer nur einen Steinwurf entfernt.
Weil ich vor meiner Radtour zu Fuß im Wildnisgebiet Dürrenstein-Lassingtal unterwegs war, bin ich den Ybbstalradweg entgegengesetzt zur offiziellen Routenempfehlung gefahren. Von Süd nach Nord, von der wilden Seite des Mostviertels in die sanfte Hügellandschaft.
Im Prinzip spielt die Fahrtrichtung keine Rolle, wobei ich meine als ziemlich angenehm empfand: Tendenziell geht es von Süd nach Nord nämlich immer ein bisschen bergab. Und wenn man mich fragt, dann ist der Blick über die Landschaft besonders schön mit Fahrtwind im Gesicht.
Lunz am See: Mein Ausgangspunkt
Das offizielle Ziel des Ybbstalradwegs, der Lunzer See, ist also mein Ausgangspunkt. In allen Tönen, die auf der Farbskala zwischen hellem türkis und dunklem Blau zu finden sind, liegt er zwischen bewaldeten Bergflanken und felsigen Gipfeln. In den Nordwänden hängt noch immer Schnee und die Luft ist kühl, solang es die Sonne nicht über die Berge schafft.
Ich verbringe den Abend vor meiner Radtour am Ufer des Sees. Und während ich dem Schilf dabei zusehe, wie es im Wind hin und her wankt, kann ich mir kaum vorstellen, dass ich morgen durch eine Hügellandschaft mit blühenden Bäumen radeln werde. Dass es zu dieser wilden Seite ein liebliches Pendant gibt, das ich innerhalb eines Tages mit dem Fahrrad erreichen kann.
Frühlingsgefühle in der Morgendämmerung
Es ist also 6:30 Uhr und die Schwalben flattern mir um den Kopf.
Als ich die ersten Kilometer zurücklege, habe ich ein Deja-vu an den letzten Sommer, fühle mich zurückversetzt an die stillen Morgen, die ich auf den europäischen Fernradwegen im Sattel verbracht habe. Zwar gibt es ein paar Unterschiede: Denn noch bin ich mit Daunenjacke, Stirnband unter dem Helm und Handschuhen recht dick eingepackt. Trotzdem aber fühle ich mich ganz genauso wie letztes Jahr im Juni und im September. Weil die Landschaft still vor mir liegt, das Gras anfängt zu duften, wann immer es ein paar Sonnenstrahlen über die Berge schaffen.
Während ich letzten Sommer früh morgens losgefahren bin, um schon vor der großen Hitze einige Kilometer zurückzulegen, sitze ich heute so zeitig im Sattel, um Zeit zu haben. Und es dauert nicht lange, da mache ich die erste Pause am Wegesrand. Weil die Sonne endlich hoch genug steht, um das Gras zum Glitzern zu bringen.
Genussradeln? Kann ich!
Nun, was soll ich sagen? Nach meiner ersten Pause, bei der ich angehalten habe, weil das Gras so schön im Sonnenlicht geglitzert hat, dauert es bis zu meinem zweiten Stopp nicht besonders lange. Weil es dieses Mal die glasklare Ybbs ist, auf der das Morgenlicht so schön reflektiert. Und, weil der Picknickplatz am Wegesrand viel zu einladend dasteht, um einfach an ihm vorbei zu radeln.
Besonders das Kernstück des Ybbstalradwegs, die 55 Kilometer zwischen Lunz am See und Waidhofen, auf denen ich unterwegs bin, steht im Sinne des Genussradelns. Einerseits, weil es entlang der Ybbs kaum Steigungen zu bewältigen gibt, andererseits aber auch, weil alle paar Kilometer schön gestaltete Pausenplätze zu einer Rast einladen.
Alle dieser Picknickplätze sind mit Sitz- und Liegemöbeln ausgestattet, mit einem Sonnenschutz für schöne Tage oder einem Unterschlupf für schlechtere. Viele von ihnen haben außerdem einen Trinkwasserbrunnen – oder sogar Getränkeautomaten mit gekühlten Produkten aus der Region.
Kurzurlaub mit Bernhard
Ich bin hin- und hergerissen, und das andauernd. Zwischen weiterfahren und die Landschaft mit Fahrtwind im Gesicht genießen – oder es mir für ein Weilchen an einem der Rastplätze in der Frühlingssonne gemütlich zu machen. So lange, bis mir die Augen zufallen. Oder mein Bauch voll ist von zu viel Apfelsaft.
Gerade, als ich meinen Helm wieder aufsetzen will, rollt mit einem breiten Grinsen im Gesicht der erste Radfahrer auf mich zu, den ich überhaupt auf dem Ybbstalradweg sehe.
„Was, du willst gerade los? Dann komm ich spät!“, ruft er mir entgegen und stellt sich im nächsten Satz als Bernhard vor.
Bernhard ist in einem knallblauen Trainingsanzug auf seinem knallblauen Rennrad unterwegs und offenbar so schnell, dass er sich seinen langen Vollbart lieber zusammenbindet. Der Vollbart ist Grau und reicht ihm bis zur Brust. Seine strahlende Fröhlichkeit aber verdeckt er nicht.
Bernhard fährt die Etappe in die entgegengesetzte Richtung. Von Waidhofen an der Ybbs nach Lunz am See. Und dann wieder zurück. Das hat er schon so oft gemacht, dass er es nicht mehr zählen könnte. Bernhard nämlich wohnt in Waidhofen, immer schon, und ist immer dann auf dem Ybbstalradweg unterwegs, wenn er sich nach Urlaub sehnt. Aber keinen hat.
„Schau dir das an“, sagt er und macht eine große Armbewegung durch die Landschaft vor uns. „Da hinten ist das Gebirge, da vorne blühen die Bäume. Da kann ich gar nicht anders, als mich wie in den Ferien zu fühlen.“
Der Ybbstalradweg ist Bernhards kurze Auszeit, seit Jahren schon. Als wir uns verabschieden, verspricht er mir, dass meine nächsten Kilometer besonders aufregend werden. Auf ihnen durchquere ich nämlich einen ehemaligen Eisenbahntunnel. Und die Ybbs, die sei gleich besonders schön klar.
Im Tunnel
Bernhard hat nicht zu viel versprochen. Rein landschaftlich sind die kommenden Kilometer nicht schöner als die, die hinter mir liegen (eine Steigerung wäre auch schwierig), aber tatsächlich ändert sich auf ihnen einiges. Die Hügel werden flacher, die Ybbs auch. Die Wiesen weiter und die Ortschaften mit ihren bunten Häusern liegen näher zusammen. Gefühlt wartet nach jeder Kurve eine neue Überraschung.
Am Ende eines großen Feldes taucht er dann vor mir auf: der Tunnel, den Bernhard angekündigt hat. Der Opponitzer-Tunnel ist knapp 90 Meter lang und erinnert an die Zeit, als hier tatsächlich keine Fahrräder, sondern Züge unterwegs waren. Heute ist der Tunnel modern ausgestattet: Sobald die Reifen in der Röhre sind, springen die Deckenlampen an. Es ist taghell, angenehm kühl, und ich werde von meinem eigenen Echo begleitet.
Angekommen: Waidhofen an der Ybbs
Nach dem Tunnel bleibe ich im Tunnel. Im übertragenen Sinn. Ich trete in die Pedale, trete, trete, trete, und bin dabei in Gedanken versunken. Obwohl das Phänomen längst kein Neues mehr ist, bin ich auch dieses Mal wieder überrascht: darüber, wie unverhältnismäßig kurz die letzten Kilometer sind. Wie schnell die Zeit verstreicht, wenn das Ziel naht. Meine Auszeit auf dem Ybbstalradweg geht schneller zu Ende, als mir lieb ist. Die kleine Ortschaft Waidhofen an der Ybbs bringt mich aber trotzdem ins Schwärmen.
Den ersten Blick auf den historischen Stadtkern mit seinen vielen Türmen und bunten Häusern habe ich von der letzten Brücke, die ich auf dieser Tour überquere. Waidhofen ist bekannt für seine Altstadt wie aus dem Bilderbuch, für das stolze Schloss Rothschild, dass oberhalb der Ybbs thront, und für seine Lage auf halber Strecke entlang des Ybbstalradwegs. Waidhofen ist auch Start oder Ziel für alle, die auf dem Kernstück unterwegs sind. Wie ich.
Lange sitze ich nach den letzten Kilometern am Ufer der Ybbs. Ich muss wieder an Bernhard denken, daran, wie er gesagt hat, der Ybbstalradweg wäre jedes Mal ein Urlaub für ihn.
Ich kann das verstehen.
Für mich war er ebenso eine Auszeit, ein Ausflug in das Gefühl, bei dem ich mich letzten Sommer in Niederösterreich verliebt habe. Und irgendwo hier – irgendwo zwischen den hügeligen Obstplantagen, den frisch blühenden Wäldern und den schroffen Gipfeln des Mostviertels – irgendwo hier ist es mal wieder um mich geschehen. Vom Fahrradsattel aus hab ich mich wieder ein klein bisschen mehr in diese wunderschöne Region verliebt.
Reise- und Radtipps für den Ybbstalradweg
Die komplette Route
Der offizielle Routenvorschlag des Ybbstalradwegs startet in Ybbs an der Donau. Und führt auf gut 107 Kilometern durch Amstetten, Waidhofen an der Ybbs, Hollstein an der Ybbs bis nach Lunz am See. Dabei geht es immer an der Ybbs entlang, von der Donau bis zum Bergsee. Zuerst durch das sanfthügelige Land der Mostbirnbäume, dann durch die alpine Region der Eisenstraße.
Einen guten Überblick über die gesamte Route gibt’s auf der Seite der Region.
An- und Abreise
Entlang des Ybbstalradwegs verkehren die Regionalzüge: die Ortschaften Ybbs an der Donau, Amstetten und Waidhofen an der Ybbs sind gut an das öffentliche Schienennetz angebunden. Von Deutschland aus gibt es Verbindungen mit Umsteigen in Salzburg oder St. Pölten.
Wichtig zu wissen: Sowohl für die Züge der Deutschen Bahn als auch für die der Österreichischen Bundesbahn braucht es ein Extra-Ticket für das Fahrrad, die Plätze sind begrenzt.
Lunz am See ist nicht per Zug erreichbar, aber mit einem Regionalbus. Zwischen Mai und Oktober pendelt zwischen Waidhofen und Lunz am See außerdem der Radtramper-Bus (in den Sommerferien täglich, im Mai, Juni, September und Oktober an Samstagen, Sonn- und Feiertagen) und ergänzend dazu täglich das Ybbstal-Radtaxi.
Orientierung
Wie immer habe ich mir meine Route vorher als geplante Tour auf komoot angelegt – und den Track dann auf meine GPS-Uhr gezogen. Nötig ist das auf dem Ybbstalradweg aber nicht, weil die Route wunderbar ausgeschildert ist. Und zwar in beide Fahrtrichtungen.
Übernachtung & Verpflegung
Die Route des Ybbstalradwegs ist so angelegt, dass wir für die Übernachtungen verschiedene Orte zur Auswahl haben. Wer die gesamten 107 Kilometer radelt, macht das in der Regel auf zwei oder drei Etappen aufgeteilt. Es empfiehlt sich dann, die Unterkünfte schon frühzeitig zu buchen. Wer das nicht selbst übernehmen will, kann die Drei-Tages-Runde als Paket beim Tourismusverband buchen.
Was die Verpflegung angeht, gibt es unterwegs mehr als genug Möglichkeiten. In Lunz am See kann ich beispielsweise die Seeterrasse empfehlen und den Zellerhof. In Waidhofen an der Ybbs hat der Schlosswirt eine besonders schöne Kulisse zu bieten: den Innenhof des Schloss Rothschild.
Auch um unsere Trinkwasserverorgung müssen wir uns unterwegs keine Sorgen machen: Viele der Rastplätze sind mit Brunnen und Kühlschränken ausgestattet. Die Dichte dieser Versorgungsmöglichkeiten ist wirklich enorm – das habe ich so noch nicht erlebt. Ich schätze, dass wir hier auf dem Kernstück des Ybbstaltadwegs alle 15 Kilometer unsere Getränkevorräte auffüllen können.
Weiterradeln
Wer die Tour erweitern will, hat dazu verschiedene Möglichkeiten:
Südlich von Waidhofen führt der Kleine Ybbstalradweg entlang der Kleinen Ybbs ins Schmiededorf Ybbsitz. Die Abzweigung ist ausgeschildert, 24 Kilometer sind es einfach bis nach Ybbitz.
Über den Erlauftalradweg lässt sich der Ybbstalradweg zu einer Rundtour ergänzen: er führt von Lunz am See durch das Erlauftal wieder Richtung Donau.
Meine Etappe
Die Etappe, die ich geradelt bin – das Kernstück zwischen Lunz am See und Waidhofen an der Ybbs findest du auf meinem Komoot-Profil. Inklusive der Highlights entlang des Weges und Download des GPS-Tracks.
Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von www.komoot.de zu laden.
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